- Japan: Das christliche Jahrhundert
- Japan: Das christliche JahrhundertMan spricht unter japanischen Historikern manchmal vom 16. und 17. Jahrhundert als dem »christlichen Jahrhundert« Japans, weil das römisch-katholische Christentum zwischen 1549 mit der Ankunft des Jesuitenmissionars Franz Xaver in Südjapan und 1651 mit dem Ende der Regierungszeit des Shōgun Tokugawa Iemitsu, des konsequentesten. Christenverfolgers, in Japan eine erstaunliche religiöse, politische und kulturelle Wirksamkeit entfalten konnte, die den Europäern kaum bewusst ist. Diese hundert Jahre werden gewöhnlich in drei Abschnitte unterteilt: die Suche nach dem richtigen Ansprechpartner von 1549 bis 1556, die Protektion des Oda Nobunaga von 1556 bis 1587 und schließlich die Wellen der Verfolgung von 1587 bis 1651.Der Jesuit Franz Xaver aus Navarra reiste im Sommer 1549 auf einem portugiesischen Schiff als päpstlicher Gesandter mit sieben Begleitern von Goa nach Kagoshima auf der Insel Kyūshū. Der zuständige Daimyō von Satsuma, Shimazu Takahisa gab ihm eine Missionserlaubnis für sein Gebiet, und Franz Xaver predigte dort mit seinen Freunden 13 Monate lang. Doch der Mönch wollte eine Missionserlaubnis vom Tenno für das ganze japanische Reich. Seine Reise nach Miyako (= Kyōto), in die Residenzstadt des Kaisers, brachte allerdings nicht den gewünschten Erfolg, er wurde nicht empfangen. Als er hier jedoch erkannte, dass der Tenno keine reale Macht besaß und die Provinzherrscher (Daimyō) mit ihren immer neuen Konkurrenzkämpfen und Koalitionen das Geschick des Reiches bestimmten, bemühten sich Franz Xaver und seine Gefährten um die Gunst der mächtigen Daimyō des Südens, wie etwa des Ōuchi Yoshitaka von Yamaguchi und des Ōtomo Yoshishige von Bungo. Nachdem Franz Xaver auf einer Reise nach China in Sanshan 1552 gestorben war, übernahm Cosme de Torres, der Begründer der christlichen Gemeinde auf Hirado und Verwalter der Kirche von Yamaguchi, die Gesamtleitung der Mission. In seiner Zeit gelang es den Missionaren, den Schutz des damals mächtigsten Daimyō Oda Nobunaga, ab 1568 auch Beherrscher von Kyōto und Umgebung, zu gewinnen.Während der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Daimyō-Familien Miyoshi und Oda hatten die Priester des buddhistischen Tempelbergs Hiei bei Kyōto die Partei der Miyoshi gegen Oda Nobunaga ergriffen. 1571 eroberten dessen Truppen den heiligen Berg, steckten die Klöster und Tempel in Brand und töteten die Priester und ihr Gefolge. Um auch weiterhin dem Einfluss der buddhistischen Geistlichkeit entgegenzuwirken, förderte Oda Nobunaga nach Kräften die Missionstätigkeit der Patres (japanisch »bateren«) aus Portugal und Spanien. Er erlaubte ihnen, im Bereich der Hauptstadt Kyōto christliche Gemeinden zu gründen, Kirchen zu bauen und Schulen einzurichten. Selbst in seinem neuen Schloss Azuchi am Biwa-See gestattete Nobunaga den Bau einer christlichen Kapelle und lud die Missionare zur Einweihung des Schlosses ein. Der neue Glaube an einen persönlichen Schöpfer und Erlöser konnte sich in Japan ausbreiten. Als Ausdruck des religiösen Lebens der christlichen Gemeinden und Schulen entstanden nun Werke einer bildenden Kunst und Literatur, die ihre Motive aus der Bibel oder den Traditionen der römisch-katholischen Kirche schöpften, und die Vorbilder ihrer künstlerischen Formen in Portugal, Spanien, Italien - aber auch in Japan fanden. Daraus entstand die stilistisch unverwechselbare, einmalige Mischform der »Kultur der Südbarbaren« (»Namban-bunka«) des »christlichen Jahrhunderts« Japans. Besonders die detailfreudigen Gemälde auf den Wandschirmen (»Byōbu«, »Namban-Byōbu«) geben uns Aufschluss über die »portugiesische« Lebensweise jener Epoche.Oda Nobunaga wurde 1582 in seiner Residenz in Kyōto, im Tempel Honnōji, von seinen Feinden belagert und im Verlauf der Kämpfe verwundet. Er erkannte die Aussichtslosigkeit seiner Lage, zündete den Tempel an und beging rituellen Selbstmord (»Seppuku«). Sein Vasall und General Toyotomi Hideyoshi konnte Nobunagas Machtstellung übernehmen und sie sogar noch weiter ausbauen. Unter ihm wurde das Reich nach langer Zeit wieder einmal von einer einzigen Hand regiert. Hideyoshi fühlte sich so mächtig, dass er Truppen nach Korea entsandte und China dort den Einfluss streitig machte.Hideyoshiwar den christlichen Missionaren zunächst freundlich gesinnt. Doch im Verlauf seiner Auseinandersetzungen mit den Daimyō von Kyūshū in den Jahren 1586 und 1587 erkannte er immer mehr die engen Beziehungen zwischen diesen reichen Daimyō des Südens und den Missionaren. Er zweifelte an der Loyalität der Christen ihm selbst gegenüber. Um den Einfluss der Missionare einzudämmen, erließ er 1587 das erste Verfolgungsedikt, das allerdings nicht konsequent umgesetzt wurde. Erst seine Nachfolger, die Shōgune Tokugawa Ieyasu, der von 1603 bis 1614 regierte, Tokugawa Hidetada, der von 1614 bis 1623 regierte und Tokugawa Iemitsu, der von 1623 bis 1651 regierte, zogen die Schraube der Unterdrückung immer mehr an. Im Todesjahr Iemitsus1651 war das Christentum in der japanischen Öffentlichkeit mundtot gemacht, und die letzten. Christen mussten im Untergrund leben. Alle Bürger des Landes mussten sich offiziell gegen das Christentum ausgesprochen haben und in einem buddhistischen Tempel registriert sein. Die Grenzen des Reiches waren geschlossen. Kein westlicher Ausländer durfte mehr hereinkommen und kein Japaner mehr ins Ausland reisen. Die einzigen westlichen Schiffe, die jährlich in begrenzter Anzahl den Hafen von Nagasaki anlaufen durften, waren die der Holländer.Wie sich später im Verlauf der Öffnung Japans für den Handel mit den USA, Großbritannien, Frankreich und Russland in den Jahren von 1854 bis 1870 zeigen sollte, überlebte das japanische Christentum aber die 250-jährige Zeit der Unterdrückung im Untergrund - ohne Priester, allein aus der Kraft des ersten Glaubensentschlusses, überliefert von den Eltern zu den Kindern. Besonders im Süden Japans bekannten sich mehr und mehr Gemeinden als »Kakure-kirishitan«, als ehemals »verborgene Christen«. Vor den neu eingereisten französischen Missionaren identifizierten sie sich durch ihr Bekenntnis zu Christus, Maria und dem Papst als römisch-katholische Christen.Prof. Dr. Johannes LaubeSchinzinger Robert: Japanisches Denken. Der weltanschauliche Hintergrund des heutigen Japan. Berlin 1983.
Universal-Lexikon. 2012.